Mein Baby Jonathan

ich fand gestern und heute bisher nicht die richtigen Worte, um all diese schrecklichen Gefühle auszudrücken.
Wir stecken derzeit mitten im Umzug und ich hielt deinen MaxiCosi in der Hand, dein Babybett, deinen Stubenwagen.
Alles war so leer, wie heute vor einem Jahr...

Diese Leere die du hinterlassen hast ist so greifbar in diesen Tagen, der Schmerz sitzt so tief und der Kloß in meinem Hals ist wieder da.
Gestern Abend habe ich noch gedacht, ich bekäme keine Luft mehr.
Vor einem Jahr, es war ein Freitag, rief ich nachmittags den Krankenwagen, ich war ganz ruhig, ich war ein Stein. Erst heute weiß ich, dass keine Mutter diese extremen Gefühlen aushalten kann und so spaltete ich mich ab und saß nur da und schaute zu. Ich ertrug diesen Schmerz nicht, diese Angst, diese Not...ich betete zu allem was für mich in diesem Moment greifbar war.
In dem Moment wo sie dich reanimierten und ich nur das Zählen wahrnahm, sank ich fast unbemerkt in mir zusammen.
Eins...
da liegt dein Söckchen auf dem Boden vom RTW
Zwei...
kann denn bitte mal jemand die Socke aufheben!
Drei...

bitte nicht drauftreten...
Vier...
hallo, hört mich jemand?
Fünf...
Sechs...
Sieben...

Ich nahm das Söckchen, drückte sie an meine Brust und fing an zu weinen.
Acht...
und währenddessen machte mich das Zählen und pumpen deiner Beatmung schier verrückt.
Neun...
Ich weinte, weinte, weinte und sah nur selten auf. Die Notärztin stand so vor mir, dass ich dich nicht sehen konnte.
Ich sah nur wie die Trage sich stets bewegte, pulsierend...und hörte das Piepen diverser Monitore, bekannte Geräusche aus dem Krankenhaus,...aber sie waren anders. Sie waren lebloser!

Ein weiterer Arzt betrat den Wagen, es war DEIN Kinderarzt aus dem Krankenhaus, er hat sich zu dir fahren lassen, hat meinen Notruf über Funk gehört. Man kannte uns. Dich, mein Kämpfer.
All' das kam mir vor wie Stunden, ich weiß heute nicht mehr wie lange wir im RTW gesessen sind. Du wurdest
 lange, lange wiederbelebt und ich sah die Verzweiflung im Blick von deinem Arzt. Ich sah ihn an und schüttelte mit dem Kopf. Er verstand und sie kämpften weiter um dich.

Mir fehlt die Kraft weiter von diesem Tag zu erzählen, ich schaff's heute noch nicht, ihn in Details wiederzugeben.
Diese Bilder aus dem Krankenwagen brechen mir noch immer mein Herz. Dieser Tag vor einem Jahr und diese Nacht ließen mich zu einem anderen Menschen werden und ich werde in diesem, meinem Leben, nie mehr ganz sein.

Du hast 50 Tage lang, mein Leben und das von deinem Papa so sehr beeinflusst, hast uns wahnsinnig stolz gemacht und uns unsagbar traurig hinterlassen. Ich mache dir keinen Vorwurf mein Herz, ich hab dir die Entscheidung überlassen, habe mit dir in deinen letzten Stunden gesprochen, dich gestreichelt, dich geküsst und habe dir zwischen all den Kabeln das Versprechen gegeben, dass wir dich nicht zu einem Leben zwingen werden, wenn du das nicht willst.
Die Ärzte haben alles getan, wir haben alles getan und du warst der stärkste kleine Mensch, den ich jemals kennengelernt habe. Du hast eine unsagbare Kraft gezeigt, hast uns sogar ein Lächeln geschenkt und ich weiß, dass du immer schützend um uns bist.

Dieses Wissen füllt aber diese Leere nicht. Man kann Räume mit Leben füllen, in dem man sie schön einrichtet.
Aber niemand wird jemals mehr mein Herz füllen können, denn diese eine Leere, deine Leere, macht mich noch immer so unsagbar traurig, weil du mir einfach so schrecklich fehlst mein Baby. Ich vermisse deinen Geruch, dein leises Weinen, deine Äuglein und ich vermisse deinen Herzschlag.

Vor genau einem Jahr habe ich mich verändert.
Vor genau einem Jahr zerbrach etwas in mir.
Vor genau einem Jahr, verlor ich mein Kind.

Du fehlst so sehr Jonathan. So, so sehr!

und noch viel mehr.